" Da neigt sich die Stunde und r?hrt mich an mit klarem metallenem Schlag: mir zittern die Sinne. Ich f?hle: ich kann - und ich fasse den plastischen Tag. Nichts war noch vollendet, eh ich es erschaut, ein jedes Werden stand still. Meine Blicke sind reif, und wie eine Braut kommt jedem das Ding, das er will. Nichts ist mir zu klein, und ich lieb es trotzdem und mal es auf Goldgrund und gro und halte es hoch, und ich wei nicht wem l?st es die Seele los ... Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen, die sich ?ber die Dinge ziehn. Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen, aber versuchen will ich ihn. Ich kreise um Gott, um den uralten Turm, und ich kreise jahrtausendelang; und ich wei noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm oder ein gro er Gesang. Ich habe viele Br?der in Soutanen im S?den, wo in Kl?stern Lorbeer steht. Ich wei , wie menschlich sie Madonnen planen, und tr?ume oft von jungen Tizianen, durch die der Gott in Gluten geht. Doch wie ich mich auch in mich selber neige: mein Gott ist dunkel und wie ein Gewebe von hundert Wurzeln, welche schweigsam trinken. Nur, da ich mich aus seiner W?rme hebe, mehr wei ich nicht, weil alle meine Zweige tief unten ruhn und nur im Winde winken. Wir d?rfen dich nicht eigenm?chtig malen, du D?mmernde, aus der der Morgen stieg. Wir holen aus den alten Farbenschalen die gleichen Striche und die gleichen Strahlen, mit denen dich der Heilige verschwieg. Wir bauen Bilder vor dir auf wie W?nde; so da schon tausend Mauern um dich stehn. Denn dich verh?llen unsre frommen H?nde, sooft dich unsre Herzen offen sehn."
Author: Rainer Maria Rilke |
Publisher: Culturea |
Publication Date: Jun 19, 2023 |
Number of Pages: 62 pages |
Binding: Paperback or Softback |
ISBN-10: NA |
ISBN-13: 9791041816965 |